10 April 2009

Social Informatics/computing/media Beispiel: Twitter

Da ein Schwerpunk der Wirtschaft in Edinburgh auf den Servicesektor ausgerichtet ist, treiben sich viele Dienstleister in der Stadt rum. Um Dienstleistungen anbieten zu können, muss man zunächst eine Idee haben, die man zu einer Dienstleistung ausbaut. Dementsprechend gibt es hier sehr viele Menschen, die ihre Ideen energisch verfolgen und teilweise in die Tat umsetzen. Und eben solchen Leuten bin ich bereits oft auf verschiedenen Veranstaltungen über den Weg gelaufen: BarCampScotland, CloudCamp und Edinburgh Coffee Morning (ECM).
Ein BarCamp habe ich ein paar Einträge weiter unten bereits erklärt. Inzwischen war ich bereits auf einem weiteren Camp, das aber mehr zielgerichtet war. Das Thema war CloudComputing (sehr interessant aus technologischer Sicht). Der/die/das ECM ist ein unverbindliches Zusammenkommen unterschiedlichster Leute, die ein gemeinsames Interesse teilen: Social Media (Medien, die das 'Miteinander' fördern). Ich unterhielt mich (ok, ich hörte auch oft nur mit) u.a. mit: einer Sachbearbeiterin einer weiterführenden Schule, einem Mitarbeiter des International Conference Centres, einem StartUp-Unternehmer (bereits mit Mitarbeitern), meiner Professorin und BA-Betreuerin (die mich eingeladen hat), einem Filmemacher, einem Musiker und wenige andere. Das Treffen war sehr interessant und herausfordernd: mit Fremden in Kontakt treten, einen Smalltalk eröffnen und das ganze auf Englisch. Der Altersunterschied macht das auch nicht einfacher (wobei mir das keine Probleme bereitet).
Jedenfalls, die interessanteste Erkenntnis kam mir, als der Initiator der inzwischen 2-jährigen Veranstaltung sich für knappe 5 Minuten zu uns gesellte. Er erzählte eine Geschichte, die er mit Twitter erlebt hat:
Er wollte eine Foto-Kamera kaufen und fragte in Twitter nach Empfehlungen. Von mehreren Seiten erhielt er Antworten, sogar auf Fragen, die er gar nicht gestellt hatte. Dennoch waren gerade diese Informationen die wertvollsten. Am Ende hat er die Kamera eines seiner Verfolger gekauft! Noch während er eine Geschichte erzählte, traf mich der Blitz. Twitter ist ein semantisches Netz! Sorry, das ist ein technischer Begriff, aber ich versuche ihn zu erklären anhand eines Beispiels:
Du willst heute Abend einen Film sehen und 'sagst' das deinem Computer/Handy/Chip im Ohr/was-auch-immer. Das Gerät listet dann 5, 10 oder 237 Vorschläge auf. Hier kommt der Vorteil des semantischen Webs. Anstatt dich nun mit Pornos und Werbung zu bombardieren, listet das Gerät nur Filme auf, die genau deinen Interessen entsprechen. Und es bezieht seine Resultate aus verschiedenen Quellen: TV, Kino, Internet ;) etc. Weitere Details lasse ich weg, aber dies ist ein mögliches Zukunftsszenario, welches von den Vorteilen eines semantischen Netzes profitiert.
Was genau ist Twitter? Es ermöglicht das 'Hinausschreien' von Nachrichten. Hört sich dämlich an? Naja, wer selbst nicht twittert, der wird sich auch nicht davon überzeugen lassen, dass es nicht dämlich ist. Die Grundfunktion ist also das Veröffentlichen von Nachrichten, das Sahnehäubchen sind aber die Möglichkeiten, selbst zu wählen, wem man zuhören möchte. Man ist selbstverantwortlich für die Qualität der Nachrichten! Meint man, dass XY nur noch Quatsch labbert, dann hört man ihm einfach nicht mehr zu, man wendet sich ab!
Ein imaginäres Beispiel basierend auf meiner Erfahrung bei einem großen Automobilhersteller mit einem großen Stern vorne dran:
Ich sitze vor einer Excel-Tabelle, die ausgedruckt den Gang runter bis zur Toilette und noch weiter reichen würde. Es ist eine Tabelle, die aussagt, wann welcher Toilettendeckel in welches großräumige Automobil eingebaut wurde. Nun fehlt mir aber die Information, wann der Toilettendeckel bestellt und geliefert wurde! Super, was mache ich jetzt? Also schreib ich im Unternehmens-eigenen Twitter-Service:
"Valeri sitzt auf nem Riesenhaufen Toilettendeckeln und braucht dringend die Info, wann die Dinger bestellt und geliefert wurden?!"
Nach drei Minuten kommt aus heiterem Himmel eine Nachricht von Anke, die eigentlich gerade in einer Sitzung sitzt und heimlich ihre Twitter-Nachrichten kontrolliert hat:
"@Valeri: Probiers doch mal mit der Transaktion XY03"
Eine Minute später kommt aber noch eine, diesmal von Alex, der die Woche im anderen Werk sitzt:
"@Valeri: Frag mal Lisa, sie hatte kürzlich das gleiche Problem mit Schaumstoff-Teilen"
Natürlich hat der Lothar auch mitgelesen:
"@Valeri: Haben wir schon wieder zu viele Toilettendeckel???" etc.
Das Problem wurde am Ende 'aus heiterem Himmel' gelöst. Natürlich muss es nicht heißen, dass nun sämtliche Toilettendeckel-Probleme der Zukunft angehören würden. Toilettendeckel-Probleme wird es geben, solange es die drei Muscheln nicht in den Alltag geschafft haben (schaue Film: Demolition Man mit Sylvester Stalone).
Es geht darum, neue Wege der Kommunikation zu nutzen: schneller, direkter, offener. Dies zu nutzen ist ein Vorteil. Innovative Firmen haben den Trend erkannt. Andere warten ab. Wer weiss, vielleicht ist es ja doch ein 'fad', eine kurzfristige Modeerscheinung, die so schnell abstirbt, wie sie kam.
Ich bezweifle das und bin felsenfest überzeugt, dass sich die interne Kommunikation in Unternehmen ändern wird.
Mich interessiert dieses Thema brennend und ich finde es mehr als nur interessant. Meine Professorin und BA-Betreuerin hat mir nahegelegt, mich in dieser Richtung zu vertiefen. Das ist auch derzeit mein Ziel. Ich bin nun auf der Suche nach einem Unternehmen / einer Organisation, das bereit ist, eine solche Forschung zu unterstützen.

Keine Kommentare: