24 Mai 2010

Alte Irrenanstalten, intere Forschungskonferenzen und Vergleiche bayerischer und kosovarischer Politiker

Silvia, meine liebe, schottische Mitbewohnerin haengt mal wieder am Telefon. Mir scheint, die Briten sind ein Telefon-suechtiges Volk! Diese Eigenschaft an ihr werde ich nicht vermissen, wenn sie in knapp zwei Wochen auf eine sechs-monatige Reise nach Sued-Amerika aufbricht. Sie als Person und Gespraechspartner hingegen werde ich schon vermissen. Nun aber zum geschaeftlichen...

Der Mai war und ist immer noch ein schoener Monat. Nicht nur das Wetter ist derzeit fantastisch (spaeter mehr dazu), es gab auch zahlreiche Veranstaltungen, die den Mai vergoldet haben.

Meine Forschungsleiterin hat gerufen und alle haben gehoert. Am 3. Mai fand sich meine gesamte Forschungsgruppe zu einem 'Away Day' zusammen. Es wurden wichtige, sehr wichtige und weniger wichtige Dinge besprochen. Grundsaetzlich ging es aber um die Zukunft der Gruppe. Kommerzialisierung ist ein heisses Thema an den britischen Unis derzeit. Das war aber nicht das besondere an der ganzen Geschichte. Das wirkliche tolle war der Ort, an dem das Treffen stattfand! Wir trafen uns in den Gemaechern der ehemaligen Irrenanstalt, das heute der Craighouse Campus ist. Der Campus befindet sich auf einem Huegel, der einen wunderschoenen Blick auf Edinburgh ermoeglicht. Die Konferenzraeume erinnern mehr an wohlhabende Wohngemaecher, wie auch der Name es schon andeutet 'Castle Room', zu deutsch etwa Schloss-Raum. Geruechten zufolge steht es aber zum Verkauf bereit. Ich hoffe es bleibt beim Geruecht.



Im Internet habe ich ein weiteres Foto zu dem Campus gefunden. Ich bin nicht ueberrascht, dieses aus einem Katalog fuer Hochzeitsveranstaltungsorte herauszufischen.


Eine Woche spaeter gab es zwei weitere Highlights. Meine Kollegen vom International Teledemocracy Centre (ITC), die mit mir das Buero teilen, erwarteten mittel-hohen Besuch aus der deutschen und hoeheren Besuch aus der internationalen Politikszene. Eine Delegation des bayerischen Landtag kam angereist um auf die Erfahrungen des ITC im Bereich Online-Petition zuzugreifen (siehe Foto unten). Ich war aber enttaeuscht, als ich feststellen musste, dass die Delegation mit einem Uebersetzer ankamen. Die Presentationen zogen sich unendlich in die Laenge und ruettelten an der anfaenglich gutne Laune aufgrund der staendigen Unterbrechungen. Der natuerliche Qualitaetsverlust bei einer live Uebersetzung machte den Rest. Der Besuch eine Delegation der Nationalversammlung aus dem Kosovo hingegen hat mich verbluefft. Acht Repraesentanten hoerten sich geduldig und aufmerksam die Reden meiner Kollegen an, ohne auf die Hilfe eines Uebersetzers zurueckgreifen zu muessen. Auch Fragen wurden, im Gegensatz zu den vorher genannten, auf Englisch gestellt. Zum Ende hin sind diese auch nicht aus dem Saal gestuermt, das Ganze fand uebrigens im schottischen Parlamentshaus statt(!), sondern waren bereitwillig fuer eine Unterhaltung zu haben. So liess ich mir die Details einer schriftlichen Petition erzaehlen, die von 200.000 Kosovaren (bei weniger als 2 Mio Einwohnern) unterschrieben wurde und einen maechtigen, politischen Rummel verursachte.



Nun ja, schoen war das alles. Die Zeit danach war es aber dann weniger. Meine Betreuer wollten kurz danach ein Zwischenreport. Da ich bis dato noch nicht viel Text vorweisen konnte, musste ich mich ranhalten und mal richtig ackern. Mittendrin ging es aber nach Deutschland, um den durch die Aschewolken vereitelten Osterurlaub nachzuholen. Von Deutschland wurde der Bericht dann mehr oder weniger fertig abgeschickt. Dieser Bericht war notwendig, um vorallem meine Drittbetreuerin von meinem Forschungsstand zu informieren. Ein Treffen mit ihr und meinen anderen beiden Hauptbetreuern war im Mai angesetzt. Einen Tag vor dem Treffen hab es aber eine fakultaetsinterne Forschungskonferenz bei der ein Grossteil der PhD Studenten ihre Arbeiten vorstellen durften bzw. mussten. Somit musste ich aus das vorbereiten.

Meine Ueberlegung war, basierend auf der Erfahrung der letztmonatigen School-internen Forschungskonferenz, dass ein Grossteil der Anwesenden keine allzu grosse Aufmerksamkeit walten lassen wuerde. Das liegt daran, dass sich die Praesentationen anstrengenderweise ueber den ganen Tag ziehen und die Forschungsinteressen so unterschiedlich sind, dass es absehbar schwer ist, auf viel Fachbegeisterung und -wissen zu stossen. Somit nahm ich mir vor, ein Big Bang (so haben sie es uns an der FH gelehrt) in meine Vorstellung zu integrieren. Ein Bing Bang ist etwas, das die Aufmerksamkeit der Anwesenden von Anfang an weckt und bindet. Am Vorabend zur Konferenz habe ich im hiesigen ASDA (grosser 24/7 Laden), eine Spielzeugpistole gekauft, die kleine Plastikpfeile verschiesst. Damit habe ich dann anschaulich demonstriert, dass die Pfeile bei jedem Schuss unterschiedlich fliegen und landen, obwohl die Ausgangssituation dieselbe bleibt (soviel zur Qualitaet des Spielzeugs). Damit habe ich veranschaulicht, dass derErfolg einer Technologie ebenfalls unterschiedlich ausfaellt, je nachdem unter welchen Umstaenden sie implementiert wird. Spaeter wurde ich von mehreren Seiten darauf angesprochen, dass es verrueckt aber interessant war. Mal ehrlich, wer erinnert sich ueberhaupt an einen Studenten und sein Thema?? Wenn sich die Leute an mich und meine Pistole erinnern, dann habe ich mein Ziel erreicht. Uebrigens wurde ein Preis fuer die beste Praesentation verliehen. Gewonnen hat meine Pistole leider nicht. Wir wurden alle von jemanden geschlagen, der an der Entwicklung eines besseren Materials zur Speicherung von durch Brennstoffzellen produzierte Energie mitarbeitet. Die Arbeit ist aber so geheim, dass er uns keine Details verraten durfte!!! Noch heute diskutieren wir in kleiner Runde, welche Kriterien die Jury verfolgt hat.

Blog-Schreiben ist eine langwierige Angelegenheit. Nun ist es schon 1 Uhr in der Nacht. Das Korrekturlesen verschiebe ich auf einen unbestimmten Zeitpunkt (nie) weil ich noch die Waschmaschine ausraeumen muss... gute Nacht.